Produktionsstationen einer elektroakustischen Komposition - allgemeine Klangbearbeitung
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1. Auswahl / Herstellung des "richtigen" Klangmaterials
Vor Beginn der Arbeit mit dem Produktionssystem (hier ein Protools-HD1) muss bedacht werden, welcher Klang überhaupt geeignet ist, um das geplante Ziel realisieren zu können; ebenfalls muss bedacht werden, welche Tonträger, Mikrofone/Tonaufnehmer bzw. Medien in Frage kommen.
Das "richtige" Klangmaterial (an dieser Stelle wird es sich um "Material" handeln, da noch keine Gestaltungsvorgänge relisiert sind!) wird nach folgenden Kriterien ausgesucht:
- technisch
wieviele Spuren, welche SRate und Bitauflösung, welches Fileformat ist sinnvoll
- akustisch
die akustischen Eigenschaften müssen die Anforderungen des akustischen Verlaufplans unterstützen, und zwar mit ihren fundamentalen Kennwerten in Zeitverlauf, Frequenzverlauf, Dauer.
wenn spezifische Verhallungen des Klanges abzusehen sind, darf der ausgesuchte Klang nicht bereits deutlich verhallt sein
wenn Klangbewegungen geplant sind, sollten ortungsspezifische Eigenschaften vorhanden sein.
- inhaltlich / ästhetische Kriterien
2. "Aufbereitung" des Klangmaterials
- Normalerweise ist das Klangmaterial im technischen Sinne nicht fehlerfrei; eine Entfernung der Störungen ist meistens unausweichlich (entrauschen, entklicken, entbrummen; Entfernen von Pausen/Stille)
- Störungen im Sinne nicht gewünschter Klänge und fehlerhaft erzeugter Klänge müssen entfernt werden
- die erforderliche Klangdauer und Tonhöhe muss korrigiert bzw. angeglichen werden; diese erste Manipulation des Klangmaterials kann auch durch andere Applikationen vorgenommen werden (z.B. Nutzung des Phasenvocoders, Granulartoren; Erzeugung von Loops und Klangvervielfachung bzw. Verlängerungen)
- Abspeicherung unter einem sinnvollen Namen und Soundfileformat auf die richtige Festplatte
3. Klangeditierung im Detail und global
Die Klangeditierung findet im Detail und in globalen Ausmaßen unter Nutzung der Automation statt.
Dieser Vorgang stellt auch die eigentliche "Komposition" in der Zeit dar und schöpft die komplexen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Software aus; das Klangmaterial wandelt sich nun zum komponierten Klang:
- Gestaltung von Volume und Panning in der Zeit
- Entwurf eines geeigneten Mischpultes, das die absehbaren Anforderungen an den Produktionsverlauf erfüllt
- Gewährleistung optimaler Kontrolle über die technischen und akustischen Vorgänge
4. Klangumformung - Plugins
Die Umformung des Klanges und der Klangstrukturen findet entweder in "realtime" oder in "non-realtime" statt und wird vor allem durch die Plugins realisiert; auch andere Programme, die technisch-akustisch und ergonomisch besser sind (Berücksichtigung von Gewohnheit und Erfahrung!) kommen zum Einsatz (unter Beachtung der technischen Parameter Srate, Bitdepth, channel, audiofileformat.
Man kann diese Umformungen etwa in folgende Gruppen einteilen:
- Allgemein handelt es sich um die Umformung der zeitlichen / spektralen Struktur;
- die gängigste Verformung führt man mit dem "Sampleratekonverter" durch (wie bei der alten Tonbandmaschine: der Klang wird schneller oder langsamer abgespielt und die Tonhöhe verändert sich linear zur Geschwindigkeitsveränderung); Prinzip auch bei den Samplern angewendet.
- Stauchung und Dehnung des zeitlichen Geschehens ohne hörbare spektrale Veränderung mit der besonderen Schwierigkeit mit der Behandlung von Transienten;
- Spektrale Verformungen bzw. Transpositionen (ohne hörbare Veränderung im zeitlichen Tempo)
- Modulation (z.B. AM, FM, RM, PM) {von Modulation sprechen wir, wenn die Veränderung einzelner Parameter so schnell erfolgt, dass das menschliche Ohr statt der Veränderung selbst einen neuen Klang wahrnimmt - am besten zu verstehen bei Frequenzmodulation "FM": das langsame "Vibrato" einer Stimme führt ab ca. 20 Hz Vibratofrequenz zu einem ganz anderen "neuen" Klangergebnis}.
- Einsatz klassischer "Effekte" wie Filter, Equalizer, Dynamics
- Einsatz von FFT-basierten Effekten (beachten Sie die "GRM-Tools")
- Morphing / Klang-Metarmophose
- Granulartoren
- "non-realtime"-Manipulation wie Rückwärtsspiel, Zerhackung; detrktive Änderung der Audiofiles
- Einsatz von Synthesizer- und Sampler-Plugins, die die Steuerung über Midi-Signale voraussetzen und damit eine Loslösung von der Timeline erlauben
5. Die räumliche Abbildung / "Verräumlichung" / Bewegung
Die elementare Empfindung von Räumlichkeit erzeugt das Vorhandensein von Hall. Die Verhallung mit all ihren Derivaten spielt also die größte Bedeutung bei der künstlichen Erzeugung von fiktiven Räumen, aber auch das Phänomen von Klangbewegung vermittelt räumlich dynamische Prozesse.
Nun befinden wir Hörer uns ständig in rämlichen Situationen, wo eher statistische Eigenschaften im Sinne von Raumgröße und im Raum ortbaren Objekten herrschen und wo wir schlicht "ungenau definierbare räumliche Athmos" wahrnehmen. Es scheint so zu sein, dass auf unser Ohr statistisch eindringende dichte Klänge automatisch zu vorhandenen aber kaum beschreibbaren Raumempfindungen führen - die Klangdichte scheint dabei eine große Rolle zu spielen, die in willkommener Weise gerade in unserem Audiosystem leicht zu erzeugen ist (Beispiel Granulatoren, wo viele/alle Parameter des Granulationsprozesses statistisch variiert werden können; bei der statistischen Ausspielung an verschiedene Lautsprecher kommt ein großes Raumerlebnis in unseren Ohren an). Ein Sinnbild für diese räumliche Erscheinung ist die Bezeichnung "Kino für das Ohr"!
- Verhallung, auch in Surroundformaten
- Schichtung mit zufällig erzeugten minimalen Varianten
- Dopplershift der Bewegungen
- Tiefenstaffelung der virtuellen Räumlichkeit, Manipulation der Entfernungsempfindung (Einfluss auf Lautstärk und Filterung; Nachweis des "Hallradius")
- Entwurf eines geeigneten Lautsprecherkonzeptes (daran erinnert wird: hier kommt nicht nur das gängige Surroundkonzept in Frage, sondern auch das "akusmatische" Konzept der INA-GRM Paris, das wir auch als "Lautsprecherorchester" realisieren; ebenfalls käme die Wave-Field-Synthsis = WFS in Betracht!)
- Manipulation im Spektrum durch Anwendung von HRTFs
6. Fertigstellung für die Aufführung, Mastering
Unser klangliches Ergebnis wird für einen speziellen Raum und für eine spezielle Beschallung erarbeitet.
Dies stellt einen deutlichen Unterschied etwa zur konventionellen Rundfunkproduktion dar, die für eine total unbekannte Stereosituation mit deutlicher Einschränkungen der Dynamik gemacht wird; der Klang soll im Auto, in der Küche, auch mono konsumiert werden können!
- Kontrolle und Korrektur der technischen und künstlerischen Aussteuerung
- Kanalzahl (mono, stereo, Surround, Multichannel) und verständliche Definition der Lautsprecherzuordnung
- Bounce-Prozess: Format, SRate, Bittiefe, Kanalzahl, Dither, Kompression ..
- Medienherstellung, Überprüfung
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