.. .In unserem Lande galt in den fünfziger Jahren die "Elektronische Musik", wie sie in Köln, Paris, Mailand, New York entstand, als konsequentester Auswuchs esoterisch-formalistischer, inhumaner Kunst. Eine gewisse Berechtigung billigte man elektroakustischen Klängen im Trick- und Kriminalfilm oder Hörspiel zu. Selbst Hanns Eisler, der soviel elektroakustische Erfahrungen in amerikanischen Filmstudios gesammelt hatte, leugnete zwar nie die Notwendigkeit von Laborversuchen, lehnte aber die kompositorischen Ergebnisse westeuropäischer Studios, etwa Stockhausens Gesang der Jünglinge (1955/56), brüsk ab. In einem der letzten Gespräche mit Hans Bunge, am 5.7.1962, in dem Eisler u.a. auf die Bedeutung von Kybernetik und Computertechnik zu sprechen kam, gibt es dagegen erstaunliche Sätze:
Wir werden Maschinen haben, die Symphonien komponieren können ... Auch unsere klassenbedingt notwendigen Positionen der letzten vierzig, fünfzig Jahre - wenn Sie wollen auch der sozialistische Realismus _ werden ihre Korrekturen erfahren. Nicht durch theoretische Diskussionen, sondern durch reale Fakten ... Trotz aller dummen Experimente im Westen halte ich diese Experimente mit elektronischer Musik für nützlich. Ich nehme an, daß die mechanische Wiedergabe sich durchsetzten wird, daß auch die wissenschaftliche elektronische Technik in der Musik eine enorme Rolle spielen wird, daß der schwitzende Posaunist Müller durch eine Maschine ersetzt werden wird - und auch vor allem der Dirigent. Das halte ich für einen enormen Fortschritt.!
(Hanns Eisler, Musik und Politik, Schriften. Addenda, Textkritische Ausgabe von Günther Mayer, Leipzig 1983, S. 313)
Was den Verbreitungsgrad elektronischer Medien betrifft, gerade auch bei der Musikvermittlung, urteilte Eisler sehr weitblickend. Auch Posaunenklänge sind tatsächlich durch digitale Computersynthese täuschend echt imitierbar. Trotzdem wird es den Posaunisten weiterhin geben, und ein Ende der Dirigenten ist weder abzusehen, noch wünschenswert.
Ungeachtet der damaligen kulturpolitischen Ablehnung elektroakustischer Musik begann 1957 ein Techniker, Diplomingenieur Gerhard Steinke, am Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt (RFZ) der Deutschen Post in Adlershof mit Studien zur elektronischen Klangerzeugung und publizierte 1958/59 erste Überlegungen zur Einrichtung eines Experimentalstudios. 1960 konstruierten Ingenieure des RFZ unter Steinkes Leitung einen Klang- und Geräuscherzeuger, "Subharchord", der auf ähnlichen Prinzipien beruhte wie Oskar Salas Mixturtrautonium. 1962 war ein erstes funktionstüchtiges Labormuster fertiggestellt. Filmmusiken entstanden (Hohensee, Wehding u.a.). 1963 .. stellten die Adlershofer Techniker die Arbeitsergebnisse der Öffentlichkeit vor. Anwesend waren auch Mitglieder der Sektion Musik der Akademie der Künste, von denen besonders Paul Dessau, die Arbeit des Adlershofer Studios tatkräftig unterstützte. Das "Subharchord" entwickelten Steinke und seine Mitarbeiter ständig weiter. 1965 stellten sie es erstmals auf der Leipziger Messe vor. Es entsprach damals dem Welthöchststand und fand Auftraggeber aus mehreren Ländern. Mitte der sechziger Jahre projektierten Steinke und seine Ingenieure ein Experimentalstudio für den Rundfunk der DDR. 1967 mußten die Arbeiten abgebrochen und die fertiggestellten Geräte unter Verlust verkauft werden. Der Rundfunk konnte keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, für das Studio geplante Baukapazitäten wurden anderweitig vergeben. 1970 mußte die Adlershofer Arbeitsgruppe auch die Fertigung des "Subharchords" abbrechen. Das Experimentalstudio im RFZ stellte seine Arbeit gänzlich ein. Immerhin realisierten Komponisten der DDR (auch ein Komponist aus den USA, Frederic Rzewski) im Zeitraum von 1962 bis 1969 etwa einhundert elektroakustische Produktionen. Einige Akademiemitglieder nutzten das Adlershofer Studio ebenfalls, u.a. Kurt Schwaen und Siegfried Matthus. Die künstlerisch überzeugendsten Arbeiten dieses ersten Experimentalstudios in der DDR sind wohl Siegfried Matthus' Galilei-Kantate nach Brecht und Bernd Wefelmeyers Protest (beides 1966).
Zwischen den Mitgliedern der Sektion Musik und dem Adlershofer Studio gab es rege Kontakte. Steinke hielt Mitte der sechziger Jahre mehrere Vorträge über elektroakustische Musik in der Akademie. Höhepunkt wurde eine Veranstaltung am 24. Oktober 1964 im überfüllten Plenarsaal am Robert-Koch-Platz; eine der ersten öffentlichen Möglichkeiten in der Hauptstadt, sich über die Geschichte und die damals aktuellen Tendenzen der elektroakustischen Musik zu informieren. Gerhard Steinke stellte Klangbeispiele der 20er Jahre vor ("Termenvox" und Mixturtrautonium), die Klangerzeugungsmöglichkeiten von Tongeneratoren der 50er und 60er Jahre sowie einige Werke, die in den Studios von Köln und Mailand entstanden waren (Stockhausens Studie 2 und Gesang der Jünglinge, Luigi Nonos La fabbrica illuminata). Außerdem erklangen Ausschnitte aus Kompositionen, die mit Hilfe des "Subharchords" im RFZ-Studio Adlershof realisiert wurden, darunter Bernd Wefelmeyers Studie für elektronische Klänge und eine Altstimme. Wefelmeyer war Meisterschüler der Akademie.
Im zweiten Teil des Abends wurden vier Kompositionen vorgestellt, die besonders Kombinations–möglichkeiten traditioneller Instrumente mit elektroakustischen Klängen demonstrierten: Ein Satz aus Joachim Thurms Moments Musicaux für Subharchords und sinfonische Instrumente, Henk Badings Capriccio für Violine und zwei Tonspuren, Andrzej Dobrowolskis Musik für Oboe und Tonband sowie die schon erwähnte Galilei-Musik von Siegfried Matthus für Singstimme, fünf Instrumente und elektronische Klänge nach Worten von Brecht. Den vorgestellten Werken folgte eine lebhafte, zum Teil recht kontroverse Diskussion. Gerhard Steinke unterstützte dann auch in den siebziger Jahren die Sektion Musik bei mehreren leider gescheiterten Bemühungen, damals erneut die Gründung eines arbeitsfähigen Studios für elektroakustische Musik durchzusetzen. Auch Luigi Nono, seit 1966 Korrespondierendes Mitglied der Akademie, half mit Vorträgen und mit Aufführungen seiner politisch akzentuierten elektroakustischen Kompositionen - darunter La fabbrica illuminata - in der DDR kulturpolitische Ressentiments gegenüber jener Art Musik abzubauen. Die Akademie der Künste beteiligte sich im Oktober 1967 mit einer Lesung mehrerer Mitglieder an der internationalen Ringuraufführung der Ermittlung von Peter Weiss, zu der Luigi Nono eine Tonbandmusik komponiert hatte. Aus diesem Anlaß besuchte der italienische Komponist die DDR und berichtete in einer Sitzung der Sektion Musik über Methoden und ästhetische Prinzipien elektroakustischer Musik. In den siebziger Jahren stellte Nono mehrfach elektroakustische Werke in der Komischen Oper, in der Staatsoper, in der Akademie der Künste und im Komponistenverband zur Diskussion.
1973 und 1975 lud unsere Sektion Musik Vertreter von Musikinstitutionen und Medien ein, um über die Gründung eines elektroakustischen Studios zu beraten. Nunmehr herrschte unter den Beteiligten Einigkeit, daß ein solches Studio dringend notwendig sei. Die Versuche scheiterten aber an der Klärung von Standort und Finanzierung. Vorgesehen waren u.a. Rundfunk, Schauspielhaus, Deutscher Dom, Palast der Republik, Neues Gewandhaus, Akademie-Neubau. Da alle unsere Standortvorschläge sich als nicht realisierbar erwiesen, ergriff das Präsidium der Akademie unter Konrad Wolf die Initiative (1979 und 1982) und beschloß, im Gebäude in der Hermann-Matern-Straße ein Studio einzurichten. Nach einer Konzeption von Georg Katzer, Expertisen von Ralf Hoyer und Bernhard Hamm sollte das dort vorhandene Umschnittstudio schrittweise zu einem Experimentalstudio erweitert werden. Der Ausbau, an dessen technischer Ausführung Toningenieur Georg Morawietz und Tontechniker Uwe Ziegenhagen großen Anteil hatten, verzögerte sich, da die Finanzierung umfangreicher Valutamittel für eine 16-Spur-Tonbandmaschine, als Herzstück des Studios, noch einige Zeit ungeklärt blieb. Unterdessen richtete Georg Katzer Schulungs-Seminare zu Geschichte, Ästhetik und Technologie elektroakustischer Musik ein, die zwischen 1981 und 1983 monatlich stattfanden und an denen nicht nur Meisterschüler der Akademie teilnahmen, sondern auch andere interessierte Komponisten, Tonmeister und Musikwissenschaftler. Seit Januar 1986 war das Studio der Akademie arbeitsfähig, am 4. Juli 1986 wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt und Georg Katzer zum Künstlerischen Leiter berufen. Die Berufung Georg Katzers ist ein Glücksfall für die Studioarbeit: Er bringt eine reiche Erfahrung herkömmlichen Komponierens ein und damit strenge ästhetische Maßstäbe (wie sie zur Zeit in manchem technisch besser ausgerüsteten ausländischen Studio nicht immer gegeben scheinen).Andererseits ist er wohl derjenige unter den DDR-Komponisten, der sich seit mehr als 15 Jahren am intensivsten mit Fragen der Elektroakustik bis hin zur Computerprogrammierung befaßt hat. Viele seiner elektroakustischen Kompositionen und Hörstücke haben hohe internationale Anerkennung gefunden. Seine Arbeit in Studios wie Belgrad, Bratislava, Budapest, Bourges, Freiburg im Breisgau und im Großstudio Stockholm kommen dem Akademiestudio zunutze, ermöglichten, daß nicht immer gänzlich von vorn begonnen werden mußte. Zudem ist Katzer seinen jungen Kollegen ein Mentor von seltener Einfühlsamkeit und Kameradschaftlichkeit.
In den ersten Jahren nach der Gründung des Akademie-Studios war noch keine kontinuierliche Arbeit möglich. Es entstanden acht elektroakustische Kompositionen. Ab Februar 1988 konnten sich die Kollegen Morawietz und Ziegenhagen ganz auf die Arbeit im Studio konzentrieren. Die Produktion stieg sprunghaft an. Bis Juni 1989 wurden 30 Bänder realisiert - Zuspielbänder für Soloinstrumente, Kammerensembles bzw. Orchester, "reine" Tonband -Kompositionen, Theatermusiken, Video-, Dokumentar- und Spielfilmmusiken. Außerdem ermöglichten die Mitarbeiter des Studios Live-Elektronik-Aufführungen in- und außerhalb der Akademie - in der Reihe "Kontakte", der "Werkstatt Junge Kunst" oder zuletzt bei der Uraufführung des Netzwerk-Projektes "Mein Leben in der Wüste" von Klaus Martin Kopitz zur XII. Musik-Biennale Berlin. Von den Komponisten der älteren und mittleren Generation arbeiteten bisher im Studio der Akademie Harald Lorscheider, Georg Katzer (Dialog imaginär II, Filmmusik zu Der Mann an der Rampe von Scheumann/Heynowski), Herrmann Keller, Lothar Voigtländer und Ruth Zechlin (Fernsehfilm-Musik Visionen zu Lilo Herrmann). Besonders starkes Interesse an der Realisation elektroakustischer Kompositionen hatten Komponisten der jungen Generation, die meisten davon ehemalige Meisterschüler der Akademie - Lutz Glandien, Ralf Hoyer, Klaus Martin Kopitz, Robert Linke und Helmut Zapf. Die Mehrzahl der im Studio produzierten Bänder ist der "ernsten" Musik zuzurechnen. Im Zusammenhang mit der "Werkstatt Junge Kunst 11" wurde auch der Berliner Amateur-Band Expander des Fortschritts die Aufzeichnung einiger Titel ermöglicht, und im November 1988 bereitete die Gruppe Cassiber (BRD/Großbritannien) - Heiner Goebbels, Christoph Anders und Chris Cutler - eine für den Herbst 1989 geplante Tournee durch die DDR im Studio der Akademie vor. Goebbels, Anders und Cutler sind aufrechte, linke Demokraten, die sich zur Tradition Brechts und Eislers bekennen - auch zu Heiner Müller - und wohl mit den intelligentesten Avantgarde-Rock in Westeuropa spielen. - Das Akademie-Studio ist also keineswegs eine weltfremde Enklave esoterischer Elektroakustiker, schon der beträchtliche Teil "angewandter" Kompositionen für Theater, Film, Ausstellungen (darunter eine Raum-Musik für das Heinrich-Schütz-Haus in Bad Köstritz) deutet auf einen vielfältigen und recht lebendigen Kontakt zum Kunstalltag.
Viele für das Konzertleben gedachte Zuspielbänder und Tonbandmusiken haben schnellere und häufigere Verbreitung gefunden, als wir anfangs zu hoffen wagten. Arbeiten aus dem Akademie-Studio erklangen auf der schon erwähnten Musik-Biennale im Zeiss-Großplanetarium, bei den DDR-Musiktagen und den 1. und 2. Werkstatt-Tagen für elektroakustische Musik 1988 und 1989, zu den Dresdener Tagen für zeitgenössische Musik, zum Geraer Ferienkurs 1987, aber auch in verschiedenen Konzert-Reihen mit neuer Musik und Jazz sowie in Jugendclubs. In der Reihe "Musik - 20. Jahrhundert" widmete Radio DDR 11 Anfang Februar 1989 der Arbeit des Studios für elektroakustische Musik der Akademie eine ausführliche Sendung. Die Zusammenarbeit mit dem Rundfunk soll in Zukunft noch intensiver werden. Inzwischen gibt es auch erste internationale Erfolge. Der Schwedische Rundfunk sendete mehrere Stücke aus unserem Studio. Georg Katzer stellte auf Konzert- und Vortragsreisen in Westberlin, München, Wien, Paris, zum "Steirischen Herbst" in Graz sowie in Wroclaw Kompositionen aus dem Akademie-Studio vor. Nach Auskunft Georg Katzers waren die ausländischen Fachleute nicht nur überrascht, daß es nunmehr auch in der DDR öffentliche elektroakustische Studios gibt, sondern auch von der Qualität der Kompositionen einiger junger Komponisten, wie Helmut Zapfs Wandlungen II für Posaune und Tonband oder Lutz Glandiens Tape music Cut, die einen internationalen Kompositionspreis beim WDR Köln erhielt.
Studioarbeit ist Teamarbeit. Die wichtigsten Partner sind Komponist und Toningenieur(-regisseur), die in oft wochenlanger, konzentrierter Arbeit aufeinander angewiesen sind. Von ihrer Kreativität, ihrem Zusammenspiel, ihrer gegenseitigen Einfühlsamkeit hängt in hohem Maß die technische und künstlerische Qualität des Werks ab. Dabei ist auch Geduld und Beharrlichkeit vonnöten, denn elektroakustische Kompositionen sind kaum vorher gänzlich im Kopf erdenkbar, vieles ergibt sich erst beim Klangexperiment an den Geräten. Struktur und Dramaturgie des Werkes müssen ständig neu überdacht werden. In einer elektroakustischen Komposition steckt oft ein ähnliches Maß an Detailarbeit wie in einer Sinfonie. Ist die eigentliche Produktion die Hauptaufgabe des Studios, so umfaßt sie doch weit mehr. In der Akademie ist sie abteilungsübergreifend. Der Abteilung Film-, Ton- und Videotechnik obliegt die technische Ausführung der Produktion, die Detailplanung der Arbeit, die Wartung, Reparatur und Neubeschaffung von Geräten sowie die technische Durchführung von Seminaren und öffentlichen Veranstaltungen, auch tontechnische und computertechnische Lehrtätigkeit für Meisterschüler. Die Auswahl der Komponisten, die im Studio arbeiten, liegt in der Verantwortung der Sektion Musik und des von ihr beauftragten Künstlerischen Leiters des Studios, ebenso die Vergabe von Kompositionsaufträgen. Für die Meisterschülerausbildung, die Konzipierung und Organisation von Fachseminaren, der Reihen "Elektroakustische Musik im Gespräch" und "Kontakte", die wissenschaftliche Arbeit zu Fragen der Elektroakustik, Arbeitsbeziehungen zu in- und ausländischen Partnern, die fachliche Öffentlichkeitsarbeit u.a. sind vorwiegend Sektion und Wissenschaftliche Abteilung Musik zuständig. Um die so unterschiedlichen Arbeiten und Verantwortungsbereiche zu koordinieren, wurde an der Akademie eine ständige Arbeitsgruppe aus Leitern und Mitarbeitern der Wissenschaftlichen Abteilung Musik und der Abteilung Film-, Ton- und Videotechnik gebildet, die unter Vorsitz von Georg Katzer einmal im Monat tagt und an der oft auch der sich für das Studio sehr engagierende Stellvertretende Generaldirektor und Direktor für Öffentlichkeitsarbeit Dr. Gerd Dardas teilnimmt. In dieser Arbeitsgruppe entstand in vielen Diskussionen auch das Statut des elektroakustischen Studios, wobei zahlreiche urheberrechtliche Fragen zu klären waren. Im Statut sind fünf Arbeitsschwerpunkte des Studios festgeschrieben: Bandproduktion und Realisierung von Live-Elektronik, Aus- und Weiterbildung von Meisterschülern auf dem Gebiet der Elektroakustik, Vermittlung und Popularisierung elektroakustischer Musik in Veranstaltungen und Medien, wissenschaftliche Arbeit zum Einfluß der wissenschaftlich-technischen Schaffensprozesse sowie, in begrenztem Umfang, Geräteerweiterungen und Entwicklung eigener Software. Für eine Realisierung der zuletzt genannten Aufgabe haben sich die Voraussetzungen durch die Einstellung des Akustikers und Computerspezialisten Hans Dorn verbessert.
Die Chance des Akademie-Studios besteht nicht darin, den technologischen Vorsprung der mit Großrechnern ausgerüsteten renommierten Studios der Welt einzuholen, sondern darin, mit bescheideneren Mitteln intensiv und klug zu arbeiten, die technologischen Nachteile durch mehr Sorgfalt auf kompositorische Strukturen und sinnträchtige Dramaturgien der Stücke wettzumachen. Das ist das Konzept Georg Katzers. Die Anfänge sind ermutigend. Unsere Arbeit findet mehr Zuspruch, als wir zunächst erwarten konnten. Die 1980 von Georg Katzer begründeten Werkstatt-Veranstaltungen "Kontakte", in denen wir auch Syntheseversuche elektroakustischer Musik mit Film, Video, Tanz, bildender Kunst u.a. vorstellen, besuchen zwischen 300 und 400 interessierte, meist junge Leute. Auch bei einem Fachvortrag des Münchner Pioniers der Elektroakustik und Multi-Media-Kunst Josef Anton Riedl im Februar diesen Jahres war der Konrad-Wolf-Saal überraschend voll besetzt. Für Arbeit, die meist im Verborgenen stattfindet, im Studio unterm Dach der Hermann-Matern-Straße 58/60, ist solche Resonanz wichtig.
In summa: Busoni würde staunen, wenn er heute Leiter einer Meisterklasse an der Akademie wäre, seine Forderung nach tonlicher Unbegrenztheit hat die Technik inzwischen ermöglicht. Nun warten wir auf weitere Talente, die mit solch phantastischen Mitteln überzeugende Kunstwerke schaffen.
Manfred Machlitt
Aus: Manfred Machlitt ".. zur hindernislosen Technik, zur tonlichen Unbegrenztheit".
Eine Skizze zu Traditionsbezügen, Entstehung und Arbeit des Studios für elektroakustische Musik der Akademie der Künste der DDR, in:
Mitteilungen, hrsg. vom Präsidium der Akademie der Künste der DDR, 27.Jg., Nr. 4 (Juli / August 1989), S. 7-9.
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung, die im Programmheft Inventionen 1990 Seiten 52 bis 59 abgedruckt war.